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Offener Brief

Offener Brief von Landwirtin Annett Scheide (Agrarproduktion Großromstedt GmbH & Co.KG) an die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund

Großromstedt, 7. Juli 2020

Sehr geehrte Frau Ministerin Siegesmund,
es wird mir als Thüringer Landwirtin Angst und Bange um unsere Landwirtschaft, wenn ich Ihre selektive Sicht auf die landwirtschaftliche Wirklichkeit beobachte.

Am 27. Juni durfte ich einer Veranstaltung im Rahmen von Streuobstwiesen beiwohnen. Meine Familie hat selbst einen Garten mit 10 Obstbäumen und ich dachte mir, vielleicht kann man ja noch etwas lernen.

Da einzige, was ich an diesem Tage mitgenommen habe, ist, wie Sie tiefe Gräben zwischen den ökologisch wirtschaftenden Landwirt*innen und den konventionell wirtschaftenden ziehen.

Wir sind ein relativ kleiner Betrieb mit ca. 1.200 ha Ackerfläche. Wir wirtschaften konventionell, nutzen aber auch den Pflug, Striegel, Hacke und Man-/Womanpower im Schweiße unseres Angesichts. Von dem Erlös unserer Arbeit leben 11 Familien.

Unsere Fruchtfolge gestaltet sich relativ vielseitig: Weizen, Sommer- und Wintergerste, Durum, Dinkel, Raps, Zuckerrüben, Mais, Hopfen als Dauerkultur und nicht zu vergessen Hecken, Blühflächen und Zwischenfrüchte. Diese nehmen 14 Prozent (!) unserer Fläche ein.

Mit dieser Fläche erwirtschaften wir keinen Cent, kommen für die Saatkosten auf und zahlen unseren Verpächtern hierfür nicht unerheblich Pacht.
Das ist unser Beitrag, die Natur und hier v.a. die Insekten und Wildtiere zu unterstützen.

Aber das ist Ihnen nicht gut genug oder sie haben einfach nicht hingesehen – wie so oft. Ihnen war es wichtig, den anwesenden 10 Gästen der AbL und Grünen Liga zu erklären, welch schöne Oasen die Streuobstwiesen inmitten von Agrarwüsten sind und zeigten demonstrativ auf einen unserer Schläge.

Zu Ihrer Information: Dieser Schlag misst nicht ganz 100 ha, ist zu 1/3 mit Weizen, 1/3 mit Zuckerrüben und Mais angebaut. Der Schlag ist umsäumt von Hecken (die leider nur im Frühjahr blühen, aber Vögeln und Niederwild Unterschlupf bietet – das sieht man aber nicht, die Hecken schon) und an den Längsseiten sind Blühstreifen angelegt. Es ist herrlich, wie es hier kreucht und fleucht.

Also „unsere Agrarwüste“ lebt – und wie!

Diese grundsätzliche Diskrepanz unserer beiden Wahrnehmungen kann ich einfach nicht glauben. Das macht mir persönlich sehr zu schaffen, denn objektiv sind die o.g. Tatsachen vorhanden.
Ich kann doch von einer Thüringer Ministerin erwarten, dass sie mit offenen Augen durch die Flur fährt und versucht, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist.

Ich habe das Gefühl, dass es Ihnen nur auf eines ankommt: Grüner Populismus und das Auseinanderdividieren der Thüringer Bauernschaft – vielleicht auch der Gesellschaft. In anderen Teilen dieser Welt haben solch Populismus und die Spaltung der eigenen Bevölkerung den dafür Verantwortlichen zu vielen Siegen verholfen. Das wird eigentlich in unserer deutschen Gesellschaft zutiefst abgelehnt. Umso trauriger ist es, dass Sie als Thüringer Umweltministerin sich derartiger Mittel bedienen müssen. Es geht nur um „wir“ und „die“!

Schade…
Ich hatte darüber nachgedacht, einen Teil der Flächen ökologisch zu bewirtschaften. Aber wie soll das gehen? ….dafür bräuchten wir ein „uns alle“! Denn m.E. hat jede Bewirtschaftungsart ihre Berechtigung, denn allein mit ökologischer Landwirtschaft können wir nicht einmal unsere deutsche Bevölkerung ernähren.

Mit freundlichen Grüßen

Annett Scheide
Geschäftsführerin

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Gelesen 782 mal Letzte Änderung am Dienstag, 09 März 2021 17:23
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