Themenschwerpunkt:
Versuch macht klug. Projektarbeit als Test für neue Ideen und Verfahren in der Landwirtschaft
Inhalt:
SuedLink: Rahmenvereinbarung geschlossen 3
Stickstoff-Weiterbildung 6
Agroforst – eine Chance für Thüringen 7
ERVEMA gewinnt Preis im Bundeswettbewerb 8
Kommentar von Dr. Klaus Wagner, Präsident des Thüringer Bauernverbandes
Sein und Schein
Eine Schlagzeile aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Januar 2023 lautete: „Mit einer Milliarde Euro schieben wir zukunftsfeste Tierhaltung an“. Die Aussage ist korrekt, aber unvollständig. Die Milliarde verteilt sich auf vier Jahre, mithin 250 Millionen Euro pro Jahr, was gegenüber dem von der Borchert-Kommission ermittelten Aufwand zum Umbau der Tierhaltung in Höhe von 4.000 bis 5.000 Millionen pro Jahr weder viel noch ausreichend ist. Die Zahl reicht aber für die Wahrung des schönen Scheins auf einem Wahlplakat. Mittlerweile ist sogar dem Landwirtschaftsminister in Baden-Württemberg aufgefallen, dass es in seinem Bundesland in zehn Jahren keine nennenswerte Schweinhaltung mehr geben könnte. Eine Entwicklung als Folge gesetzlicher Rahmensetzungen, die wir seit Jahren prognostiziert haben.
Ende 2022 veröffentlichte das BMEL sein Eckpunktepapier „Weg zur Ernährungsstrategie“. Wunderbar ist man versucht zu denken, endlich mal wieder eine Strategie, die darlegt, was „muss“ und was es „braucht“ und darüber, was andere tun sollen. Wir dürfen gespannt sein, wann ein verpflichtender Anteil regionaler Produkte in der öffentlichen Außerhausversorgung Realität sein wird, und bleiben guter Hoffnung, dass bis dahin noch regionale Verarbeitungskapazitäten existieren. Auch hier, mehr Schein als Sein.
Für die EU-Kommission geht die größte Gefährdung der Ernährungssicherheit vom Klimawandel und dem Rückgang der Artenvielfalt aus. Folgerichtig müsse dem durch eine Verminderung der Treibhausgasemissionen und des Pflanzenschutzmitteleinsatzes entgegengewirkt werden. Dafür werden Ziele festgelegt, z.B. ein Totalverbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten. Kommt diese Regulierungs- und Verbotspolitik, so wie von der EU-Kommission vorgeschlagen und von der Umweltbundesministerin Steffi Lemke und dem Bundesminister für Landwirtschaft Cem Özdemir unterstützt, dann prognostizieren wir heute, dass wir so ein Mehr an Biodiversität und Ernährungssicherheit nicht erreichen werden.
Eine Reihe von EU-Mitgliedsstaaten sieht das ähnlich und hat eine Studie zur Folgenabschätzung beschlossen, auf deren Ergebnisse die Bundesregierung nicht warten möchte – schließlich sind wir in Deutschland im Besitz der absoluten Wahrheit. Totalverbote von Pflanzenschutzmittel lassen sich leicht kontrollieren und der scheinbare Erfolg lässt sich einfach verkaufen. Mich beschleicht die Befürchtung, dass der Weizenanbau dem Weg der Tierhaltung folgen wird. Am Ende importieren wir den Weizen aus anderen Regionen, Rodung von Wäldern inklusive. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft ein Werbespot des WWF mit Bildern von Wetterkatastrophen und der Aufforderung zum Erhalt des Regenwaldes am Amazonas zu spenden. Mit fünf Euro ist man dabei. Mehr Schein als Sein geht kaum noch.
Das Problem: Wir leben hier und wir wollen eine Zukunft für uns und unsere Kinder, im Sein und nicht im Schein! Wir Bäuerinnen und Bauern sind die einzigen, die Lösungen produzieren wollen und auch können. Ohne uns wird keine der schönen Strategien Realität und nur der schöne Schein bleibt übrig.
Lösungswege sind im Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft beschrieben. Anstatt dem, im breiten demokratischen Konsens gefundenen, Weg zu verfolgen, erleben wir eine regulatorische Strangulation unseres Tuns, die fesselt und demotiviert.
So wird das nichts, weder mit der Pflanzenschutzmittelreduktion noch mit Zukunft für unser Land. Wir brauchen auf nichts mehr zu warten. Tun ist das Gebot der Stunde, auf dem eigenen Hof, in Wissen, in Nachwuchs und Technologie, kurz gesagt in Zukunft zu investieren. Aber auch unser Tun zu hinterfragen und da, wo wirtschaftlich vertretbar, andere Konzepte umzusetzen. Für uns als Verband aber auch für jeden Einzelnen gilt es, in unserem demokratischen System Beteiligungsprozesse einzufordern, die zu Ergebnissen führen. Wir alle müssen auf eine vernünftige Rahmensetzung hinwirken. Eine Rahmensetzung, die entfesselt und Kraft freisetzt, mit der wir im
Sein Lösungen schaffen können.
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