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Medieninformation: Erste Lesung des Thüringer Agrarstrukturgesetzes Empfehlung

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Trotz Änderungen – Thüringer Agrar- und Forstflächenstrukturgesetz bleibt in weiten Teilen verfassungswidrig

Der heute in erster Lesung im Landtag eingebrachte Entwurf für ein Thüringer Agrarstruktur- und Forstflächengesetz (ThürAFSG) ist aus Sicht des Thüringer Bauernverbandes (TBV) weiterhin in großen Teilen verfassungswidrig. „Die geringfügigen Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf ändern nichts an der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. Statt die Thüringer Landwirte zu stärken, schafft das geplante Gesetz neue rechtliche Unsicherheiten für die heimischen Agrarbetriebe. Dadurch erreicht das Gesetz das Gegenteil dessen, was es will. Es schwächt die ökonomische Handlungs- und Widerstandsfähigkeit unserer Betriebe. Ich fordere die Landesregierung deshalb erneut auf, das Gesetz zu stoppen. Unsere Landwirtschaftsbetriebe haben schon genug mit Bürokratie und Überregulierung zu kämpfen“, so Dr. Klaus Wagner, Präsident des TBV.

Die Thüringer Landesregierung hat den Gesetzesentwurf nur geringfügig überarbeitet und weitgehend unverändert gelassen gegenüber dem ersten Entwurf. Dadurch bleiben die gravierenden verfassungsrechtlichen Mängel bestehen, die ein fundiertes Rechtsgutachten der renommierten Jenaer Verfassungsrechtlerin Prof. Dr. Anna Leisner-Egensperger dem ersten Entwurf des Gesetzes in einem Gutachten bescheinigt hatte. Das Gutachten hatte der TBV zusammen mit dem Verband der Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen sowie der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen beauftragt.

Die Verfassungsrechtlerin hatte klar festgestellt, dass der Freistaat Thüringen mit dem Vorhaben seine Gesetzgebungskompetenz, insbesondere im Hinblick auf die Regelung der Genehmigungspflicht für den Erwerb von Unternehmensanteilen, sogenannte „share deals“, überschreitet. In dem Gutachten wurden zudem mehrere verfassungswidrige Punkte identifiziert, darunter die Verletzungen der Eigentumsfreiheit und der Familiengestaltungsfreiheit sowie mehrere Verstöße gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Das Gesetz enthält zudem zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, was zu Rechtsunsicherheit führt. Dies gilt insbesondere für den Rechtsbegriff „beherrschender Einfluss auf den landwirtschaftlichen Betrieb“, dem im Gesetz eine zentrale Bedeutung zukommt.

Geht es nach dem Willen der Landesregierung, können Gemeinden und Gemeindeverbände fatalerweise zudem auch weiterhin schon beim Vorliegen eines Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan genehmigungsfrei erwerben, obwohl ein Aufstellungsbeschluss nur geringste Anforderungen hat und jederzeit geändert werden kann.

Auch die Begründung für den erneuten Gesetzentwurf mit explosiv steigenden Preisen für Ackerland ist nicht stichhaltig: So sanken im Durchschnitt die Bodenpreise in Thüringen im Jahr 2022 um 4 Prozent.

Zu dem weitaus wichtigeren Problem der fortgeführten Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen sagt der Gesetzesentwurf jedoch nichts. So gehen derzeit rechnerisch ca. 55 Hektar landwirtschaftliche Fläche pro Tag verloren. Laut Prognose des Thünen-Institutes wird sich dieser Flächenverbrauch insbesondere für Siedlung und Verkehr sowie erneuerbare Energien, insbesondere Freiflächenphotovoltaik, bis 2030 sogar auf 109 Hektar täglich erhöhen.

HAUPTKRITIKPUNKTE DES GUTACHTENS

1. Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Thüringen:

Das Gutachten stellt fest, dass der Freistaat Thüringen nur in begrenztem Umfang die Befugnis zur Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit gesellschaftlicher Anteilserwerbe hat. Diese Befugnis erstreckt sich nur auf Fälle, in denen der Erwerber eine Verfügungsbefugnis erlangt, die der eines dinglich Berechtigten entspricht. In anderen Worten, die Regelungen des Gesetzes überschreiten die Zuständigkeit des Freistaates Thüringen in Bezug auf die Übernahme eines beherrschenden Einflusses auf Unternehmen oder die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf gemeinwohlorientierte Formen der Landwirtschaft.

2. Verfassungswidrige Punkte im Gesetz

Das Gutachten identifiziert mehrere verfassungswidrige Punkte im ThürAFSG:

  • Die Definition des Begriffs „Landwirt“ unter Bezugnahme auf eine EU-Verordnung zur Bestimmung des Begriffs „landwirtschaftlicher Betrieb“.
  • Die grundsätzliche Anhebung der Genehmigungsgrenze auf 1 Hektar.
  • Die Regelung zu genehmigungsfreien Geschäften zugunsten von Gemeinden und Gemeindeverbänden, wenn lediglich ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes vorliegt.
  • Die unklare und nicht transparente Verordnungsermächtigung, einschließlich der fehlenden Klarheit bezüglich der Bedingungen und des möglichen Inhalts von Rechtsverordnungen.

3. Unbestimmte Rechtsbegriffe

Das Gesetz enthält zudem viele vage Rechtsbegriffe, die nicht klar und sicher ausgelegt werden können, was zu Rechtsunsicherheit führt. Dies gilt insbesondere für den zentralen Rechtsbegriff „beherrschender Einfluss auf den landwirtschaftlichen Betrieb“. Dies ist nicht auslegbar und entzieht sich einer Konkretisierung. Der Begriff „agrar- und forststrukturell nach- teilige Verteilung der Bodennutzung“ kann demgegenüber zwar interpretiert werden, jedoch nicht unter Verwendung des Agrarstrukturberichts des Freistaats Thüringen, da dieser hierfür rechtlich keine Grundlage sein kann.

4. Genehmigungsbedürftigkeit von „share deals“ und deren Auswirkungen

Die Genehmigungsbedürftigkeit des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen, sogenannten „share deals“, wird als erheblicher Eingriff in die Eigentumsfreiheit betrachtet. Das Gutachten stellt fest, dass dieser Eingriff in der vorgeschlagenen Form weder erforderlich noch angemessen ist. Die Ausgestaltung der Genehmigungsbedürftigkeit wird als verfassungs- und unionswidrig erachtet, da sie (im ersten Entwurf) nicht sachgemäß an das Grunderwerbsteuergesetz anknüpfe und somit gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoße. In der fehlenden Normierung der Kriterien für die Genehmigungsfähigkeit von „share deals“ wird ein Verstoß gegen das Prinzip der Rechtsklarheit gesehen. Die einheitliche Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit von „share deals“ für alle Gesellschaftsformen sei unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Schließlich wird festgestellt, dass das Genehmigungsregime für „share deals“ nicht mit der Eigentumsfreiheit und der Familiengestaltungsfreiheit vereinbar ist.

Das gesamte Gutachten, inklusive einer Zusammenfassung, ist unter https://tbv-erfurt.de/files/downloads/themen/Agrarstrukturgesettz/Gutachten_ThuerAFSG.pdf abrufbar.

 

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