Themenschwerpunkt:
Direktvermarktung unter Druck. Hohe Kosten, steigende Anforderungen und weniger Geld bei der Kundschaft
Inhalt:
Interview mit Simone Hartmann 5
Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes 7
Exkursion nach Berlin und Brandenburg 9
Ausbildungsbörse der Landjugend 12
Direktvermarktung – bald nur noch ein Traum der Politik?
Kommentar von Dr. Wolfgang Peter, Vorsitzender des TBV-Fachausschusses Familienbetriebe/GbR
Sie haben einen schönen Traum. Landwirte produzieren Getreide, Ölpflanzen, Kartoffeln, Obst, und Gemüse, machen duftendes Heu und veredeln all diese Sachen noch auf verschiedenen Wegen, z.B. im Stall zu Milch, Fleisch und Eiern oder mit der Mühle und Trocknung zu Öl und Tee. In Bewahrung alter Thüringer Traditionen entstehen auch noch die über die Grenzen bekannten Brat- und Kochwürste. Alles auf kurzen Wegen, vielleicht sogar alles auf einem Hof – nachhaltig, regional und manchmal bio. Den begeisterten Stadtmenschen ist kein Weg zu weit, wissen sie doch, was Frische, Geschmack, handwerkliche Qualität wert sind. Da steht man gern einmal Schlange.
Da klingelt der Wecker! Beim Direktvermarkter – heute wieder eine Stunde früher. Schweine müssen zum Schlachten gefahren werden. Zum Glück, denkt der Landwirt, habe ich noch eine Möglichkeit gefunden (wieder 20 km weiter), nachdem der Nachbar seine EU-zugelassene Schlachtstätte aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste. Ganz jung ist das Personal bei dem anderen Kollegen aber auch nicht. Hoffentlich denke ich heute Abend an die Abmeldung in der HIT-Datenbank. Muss fragen, ob die Schlachtstätte eine eigene Nummer hat. Was, wenn nicht? Eigentlich hatte ich ja einen Antrag auf teilmobile Schlachtung im eigenen Betrieb gestellt, höchstes Tierwohl usw., aber das wird wohl in Thüringen nichts werden. So viele Amtstierärzte dafür gibt es nicht.
Zurück im Betrieb steht schon ein Mann mit Dienstausweis vor der Tür. Mist, das Eichamt, wieder die Frist zur Anmeldung der gebrauchten Ladenwaage verpasst. Die ersten Kunden sind schon im Hofladen. Schon wieder Preisdiskussionen, dabei geht es doch allen gleich: Energie, Löhne, Verpackungskosten sind erneut gestiegen, nicht zu vergessen Remondis. Und wenn sie wüssten, wer noch alles etwas vom Kuchen haben will: Duales System, Pfandregister, Barcodegebühren, TSE-Kassensystem, Hosting usw. Dabei würde ich lieber mal meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas auf den Lohn drauflegen – aber wovon? Wenn meine Kunden wüssten, dass ich meinen Kolleginnen und Kollegen den Inflationsausgleich noch nicht vollständig auszahlen konnte, würden sie an der Theke bestimmt großzügig aufrunden.
Da ruft das Veterinäramt an. Bei einer Stichprobenkontrolle wurde festgestellt, dass die Schriftgröße auf einem Etikett zu klein ist. Ich sage, die vorgeschriebenen Infos passen nicht mehr auf die Verpackung – zählt nicht, können ja Beipackzettel machen.
Eigentlich möchte ich investieren und alles moderner machen. Habe mich auch schon mit den Förderprogrammen befasst. Oh, neues Portal bei der Bank – alles wird einfacher. Schließlich kenne ich mich schon aus mit der Ausweis-App und dem Elster-Zertifikat. Ernüchterung, am Ende entsteht eine Datei zum Ausdrucken und Unterschreiben. Liebe Leute, denke ich, eine pdf-Datei ist ein Brief ohne Briefmarke, aber noch keine Digitalisierung! Ich rufe meinen Bänker an und spreche über mein Vorhaben. Der erzählt mir was von Nachhaltigkeit und fabuliert darüber, dass er noch nicht weiß, wie er die verbauten Wassersparhähne kontrollieren soll. Da verstehe ich langsam den Frust anderer Direktvermarkter, die schon den Schlussstrich gezogen haben oder dieses beabsichtigen.
Ich weiß nicht, wie laut der Wecker bei Politik und Verwaltung klingeln muss, damit auch sie aus dem Traum aufwachen. Aber ich hoffe, sie tun es bald! Ansonsten kann der Slogan Wertschöpfung in der Region, für die Region eingemottet werden.
Einen genussvollen Jahresausklang!
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