Die Blauzungenkrankheit hat Thüringen erreicht, nachdem sie bereits Schafe, Ziegen und Rinder in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt befallen hat. Bei diesem Seuchenzug handelt es sich um den in Nordwest-Europa erstmal auftretenden Serotyp 3 des Blue tongue-Virus. Für die Infektion sind alle Wiederkäuer empfänglich, für andere Tierarten und den Menschen ist sie völlig ungefährlich. Auch der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten ist vollkommen unbedenklich. Die Übertragung erfolgt durch Gnitzen, stechende Insekten, die vor allem während der Abend- und Morgendämmerung Tiere im offenen Gelände anfallen. In der warmen Jahreszeit und bei feuchtwarmem Wetter sind die Gnitzen besonders aktiv.
Die ersten Fälle traten im September 2023 bei Schafen südlich von Amsterdam auf. Seit Herbst 2023 sind in den Niederlanden innerhalb von acht Wochen 55.000 Schafe und Rinder verendet, in manchen Schafherden jedes vierte Schaf. Im Nordwesten Deutschlands waren bereits im Herbst 2023 die ersten Fälle aufgetreten. Das Wetter der letzten Wochen hat die Vermehrung der Gnitzen stark begünstigt, sodass aktuell die Zahl der Ausbrüche in Deutschland rapide ansteigt, von 80 Fällen in der ersten Jahreshälfte auf über 1000 Fälle allein im Juli 2024.
Schafe zeigen etwa eine Woche nach der Infektion die ersten Anzeichen einer akuten Erkrankung mit Fieber, Teilnahmslosigkeit und Absonderung von der Herde. Die Tiere haben häufig eine Schwellung im Kopfbereich (Abb. 1), die Zunge kann anschwellen und aus dem Maul hängen. In seltenen Fällen verfärbt sich diese blau, was der Krankheit den Namen gab. Durch die Entzündungen der Schleimhäute (Abb. 2) zeigen die Tiere vermehrten Speichelfluss und Schaumbildung vor dem Maul, können schmerzhafte Entzündungen am Kronsaum haben und lahmen. Bei tragenden Tiere sind Aborte nicht selten, danach ist die Fruchtbarkeit deutlich eingeschränkt.
Auch wenn die Erkrankung bei Rindern mit weniger sichtbaren Symptomen verläuft, sind die Auswirkungen auf Wirtschaftlichkeit beträchtlich. Die Entzündungen in der Maulhöhle können zu Ablösungen von Schleimhäuten an der Zunge und im Maul sowie zu Blasen am Kronsaum führen und damit Symptome hervorrufen, die denen der Maul- und Klauenseuche sehr ähnlich sind. Zudem treten Entzündungen im Bereich der Augenlider, Zitzenhaut und der Genitalien auf. Die Futteraufnahme ist durch die Schmerzen deutlich herabgesetzt. In der Folge kommt es zur Verminderung der Milchleistung, anderen Folgeerkrankungen und vereinzelten Todesfällen. Ziegen zeigen, auch wenn sie mit dem Virus infiziert sind, deutlich weniger ausgeprägte Symptome.
Werden die beschriebenen Krankheitsanzeichen festgestellt, muss dies dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. Durch strenge veterinärbehördliche Vorschriften sollen die Gebiete geschützt werden, die noch frei von der Infektion sind. So dürfen Tiere, die aus Seuchengebieten stammen, nur nach einer die Insekten abschreckenden Behandlung und einer Untersuchung auf das Virus verbracht werden. Amtliche Tötungsanordnungen und tierseuchenrechtliche Entschädigungen sind bei Blauzungenkrankheit nicht vorgesehen.
Wirksamen Schutz vor Todesfällen und schweren Erkrankungen bietet die Impfung. Diese muss allerdings zeitig genug verabreicht werden, denn eine belastbare Immunität ist erst 20 bis 30 Tage nach Abschluss der Grundimmunisierung zu erwarten. Den Herstellern von Veterinärimpfstoffen ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, Impfstoffe gegen den neuen Serotyp des Virus zu entwickeln. Die Zulassung der Impfstoffe ist in Arbeit. Anfang Juni hat das zuständige Bundesministerium per Eilverordnung die Anwendung von drei Impfstoffe gestattet. Der Tiergesundheitsdienst der Thüringer Tierseuchenkasse legt allen Haltern von Schafen und Rindern ans Herz, ihre Tiere umgehend impfen zu lassen, auch die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt die Impfung. Bei rechtzeitiger Anwendung reduziert diese die Sterblichkeit, die Schwere der klinischen Symptome und die Virusvermehrung. Erste Erfahrungen aus den Niederlanden belegen, dass die Impfung sicher ist und wird von den Tieren gut vertragen wird, einen vollständigen, sterilen Impfschutz bietet sie jedoch nicht. Auch bei geimpften Schafen und Rindern, vor allem bei Tieren mit anderen Erkrankungen oder Wurmbefall, zu einzelnen Krankheitsfällen, jedoch mit wesentlich milderem Verlauf und nur geringer Mortalitätsrate.
Die Thüringer Tierseuchenkasse unterstützt die Impfung mit einer Beihilfe je Impfung von 1,00 Euro bei Rindern und 0,60 Euro bei Schafen und Ziegen. Diesen Betrag zieht der Tierarzt je Tier von der Rechnung ab und erhält diesen von Tierseuchenkasse erstattet. Voraussetzung ist, dass der Tierhalter einen entsprechenden Beihilfeantrag gestellt hat. Der Tiergesundheitsdienst berät Tierhalter und Tierärzte in allen Fragen des Seuchenschutzes und der Impfprophylaxe (Kontaktdatenunter: www.thtsk.de).
Weiterführende Informationen:
Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie
Thüringer Tierseuchenkasse: www.thtsk.de > Aktuelles
Ständige Impfkommission Veterinärmedizin: https://stiko-vet.fli.de/de/aktuelles/
(Fotos: A. Holsteg)