Themenschwerpunkt:
Pflanzen ohne Schutz? Wie es auf den Feldern weitergeht
Inhalt:
Agrarkongress 2022 3
Afrikanische Schweinepest 6/7
Förderstrukturen ab 2023 8
Neue Homepage der Landsenioren 12
Kommentar von Steffen Steinbrück, Vorsitzender des Fachausschusses Pflanzenbau und Umwelt
Diskussion offenbart gesellschaftliche Sicht auf Landwirtschaft
Die mit quasireligiösem Eifer geführte öffentliche Diskussion über den landwirtschaftlichen Pflanzenschutz hat viel mit der aktuellen gesellschaftlichen Sicht auf die Landwirtschaft einerseits und auf Klimaschutz, Natur- und Umweltschutz andererseits zu tun. Häufig wird hierbei die moderne Landwirtschaft grundsätzlich in Frage gestellt, der Sinn und Zweck landwirtschaftlichen Pflanzenschutzes aber verkannt.
Moderner Pflanzenschutz dient vor allem dem Schutz der Kulturpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten sowie vor zu großer Konkurrenz um Sonnenlicht und Nährstoffe durch andere Mitbewohner auf dem Feld. Wer auf seinen Flächen ein Problem mit z.B. Ackerfuchsschwanz, Trespe oder Windenknöterich hat, weiß, wovon ich spreche. Und weil es dabei primär um den Schutz unserer Kulturpflanzen geht, trägt diese wichtige Arbeit auch den Namen „(integrierter) Pflanzenschutz“ und nicht „Gift spritzen“ oder „Pestizideinsatz“, zumal es beim Pflanzenschutz um weit mehr geht, als um mehr oder weniger viel Chemie auf dem Acker oder Grünland. Und es geht dabei auch nicht um die Abgrenzung von Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft. Auch der Biobetrieb braucht Pflanzenschutz – fragen Sie bei Gelegenheit mal den Biobauern Ihres Vertrauens, wie viel Aufwand er betreiben muss, um seine Ernte vor Krankheiten und der natürlichen Konkurrenz durch andere Pflanzen oder Tiere auf dem Feld zu schützen. Dem Ackerwildkraut ist es im Übrigen vermutlich ziemlich egal, ob es durch den Einsatz eines sorgfältig ausgewählten Herbizids oder durch Hacke und Pflug als Konkurrent der Nutzpflanze weichen muss. Rüben hacken mit der Hand ist also nicht automatisch ökologischer als verantwortungsvoll und mit guter fachlicher Praxis durchgeführter chemischer Pflanzenschutz. Es macht aber viel mehr Arbeit und ist dabei weniger effektiv. Die älteren Bäuerinnen und Bauern unter uns wissen das aus eigenem Erleben.
Im kompromisslosen Ringen um Klimaschutz, Naturschutz und Artenvielfalt droht der ursprüngliche Sinn und Zweck der Landwirtschaft – die Ernährungssicherung – unter die Räder zu geraten. Blühstreifen, Feldhamsterparzellen, Altgras- und Gewässerrandstreifen und auch Radwege scheinen inzwischen für unsere Gesellschaft wichtiger zu sein als die Erzeugung von hochwertigen Nahrungs- und Futtermitteln. Weizen, Gerste, Raps, Zuckerrüben und Mais werden eher geduldet als gefordert, Ökolandbau scheint die einzige überhaupt noch bedingt genehme Form der (Acker-)Landbewirtschaftung zu sein. Diese Entwicklung ist weder für uns Bäuerinnen und Bauern noch für uns als Gesellschaft langfristig tragbar. Die bereits getroffenen Einschränkungen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie deren angedachte weitere Verschärfung sind nur ein weiterer Ausdruck für das Desinteresse der aktuell politisch Agierenden an einer wirtschaftlich erfolgreich agierenden Landwirtschaft und deren Produkte für unsere Ernährung.
Ziel muss es doch sein, den bestmöglichen Kompromiss aus erforderlichem Schutz der Kulturpflanzen einerseits und dem Umwelt- und Naturschutz andererseits zu finden. Und dabei geht es nicht nur um Wirkstoffe und Aufwandmengen beim chemischen Pflanzenschutz, sondern um wirtschaftlich vernünftige und ökologisch verträgliche Landbewirtschaftungskonzepte. Dies schließt eine optimale Anbauplanung und die Nutzung züchterischen Fortschritts ebenso ein wie mechanische, chemische und biologische Maßnahmen.
Das Thema Pflanzenschutz ist also sehr komplex – allein das erschwert heute im Zeitalter der simplen Zusammenhänge und der einfachen Lösungen schon eine sachliche und zielorientierte Diskussion und Lösungsfindung. Genau genommen scheitern wir derzeit in der Diskussion mit den politisch Verantwortlichen schon an der Definition gemeinsamer Ziele, wenn diese sich gegenseitig zumindest teilweise ausschließen. Aber gut essen wollen wir am Ende alle, auch nach einem langen Tag voll des Kampfes für das Klima und die Umwelt!
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