Themenschwerpunkt:
Landwirtschaft und Energieproduktion. Konkurrenz oder zweites Standbein?
Inhalt:
Photovoltaikausbau 4/5
Mobilstallhaltung 6/7
Seafood Star geht nach Thüringen 8
8. Oßmannstedter Gespräche 12
Kommentar von Toralf Müller, Vorsitzender des Fachausschusses Erneuerbare Energien im TBV
Photovoltaik – Fluch oder Segen?
Aktuell bin ich mehr Energiewirt als Landwirt. Ich führe ein Unternehmen mit Biogasanlagen, Photovoltaikanlagen auf dem Dach und denke über Agri-Photovoltaik auf dem Grünland nach. Nebenbei gebe ich Interviews zu den Herausforderungen der erneuerbaren Energien. Für die eigentliche landwirtschaftliche Produktion bleibt da im Moment nicht mehr viel Zeit – ist das die Zukunft? Werden wir in 30 Jahren einfach nur die Landschaft pflegen, daneben Energie in Form von Biogas, Agroforst oder aber Photovoltaik produzieren, unsere eigenen Windräder betreiben? Und die Lebensmittelproduktion spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle? Ein komisches Bild, denn eigentlich habe ich doch Landwirt gelernt.
Eines steht fest: Unter der aktuellen Situation mit Blick auf den Krieg in der Ukraine bekommt der bereits bestehende politische Wille nach Versorgungssicherheit bei Energie eine noch größere Bedeutung. Egal ob nun bezogen auf Deutschland oder Thüringen: Es gibt eine enorme Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen für die Energiegewinnung. Die Energiepreise waren bereits vor der aktuellen Krise deutlich gestiegen und erreichen nun schwindelerregende Höhen, die volkswirtschaftlich einen gewaltigen Schaden anrichten dürften. Die Strom- und Kraftstoffpreise erreichen Dimensionen, die auch für unsere Betriebe wirtschaftlich nicht mehr darstellbar sind. Es müssen und es werden neue Wege gefunden werden müssen. Ein erster Wegbereiter um den Prozess zu begleiten, ist das Oster- und das Sommerpaket für die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es soll den Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen erleichtern. Aber auch die Bioenergie muss nicht nur als Bestandteil der Energiewende erhalten bleiben, sondern, im Angesicht der vor uns stehenden Herausforderungen, ausgebaut werden. Mit dem politischen Willen des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien und den angekündigten exorbitanten Fördersummen werden die Begehrlichkeiten nach landwirtschaftlichen Flächen schnell zunehmen. Der Druck auf die Fläche durch kapitalintensive Investoren, welche teilweise mit unseriösen Angeboten Verpächter nötigen, ihre Pachtverträge zu lösen, wird sich deutlich erhöhen. Mag sein, dass es für die Flächeneigentümerinnen und -eigentümer erstmal ein lukratives Angebot ist und man damit den Führerschein der Enkelin finanziert. Aber welche Folgen hat es für das Gesamtbild?
Sollte gerade angesichts der Folgen des Ukranine-Krieges und der europäischen Sanktionspolitik nicht nach Lösungen gesucht werden, wo mehrere Ziele, wie regionale Lebensmittelerzeugung und -sicherheit, weitestgehende Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus dem Ausland und bürgerliche und zugleich touristische) Akzeptanz vor Ort, zusammen gedacht werden? Ich denke: in jedem Fall!
Wir in Thüringen und Deutschland betreiben landwirtschaftliche Produktion in einer von der Natur gegebenen Gunstregion. Daher muss die Lebensmittelproduktion hier immer im Vordergrund stehen. Energieproduktion als zweites Standbein ist eine willkommene Einkommensalternative. Wir Landwirtinnen und Landwirte aus Thüringen können beides. Allianzen, wie unsere Zusammenarbeit mit der Thüringer Bürgerenergie und der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur, können dazu führen, gesamtheitliche Lösungen mit kooperativen regionalen Ansätzen zu schaffen.
In meiner Brust schlagen zwei Herzen, eines für die Landwirtschaft und eines für Energieproduktion. Klar ist, dass die aktuelle weltpolitische Lage die Abwägung zwischen Ernährungs- und Energiesicherung zu einer schwierigen politischen Frage macht. Fakt ist aber: Nur mit Strom allein bekommen wir niemanden satt.
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