Am 14. September fand eine gemeinsame Pressekonferenz des Thüringer Bauernverbands (TBV), des Genossenschaftsverbands – Verband der Regionen und des Verbandes der Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen statt, in der das von den drei Verbänden beauftragte umfassende und unabhängige Rechtsgutachten zum Entwurf des Thüringer Agrar- und Forstflächenstrukturgesetzes (ThürAFSG) vorgestellt wurde.
Das Gutachten von Prof. Dr. Anna Leisner-Egensperger, Lehrstuhlinhaberin für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, kommt zu dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf der Thüringer Landesregierung in weiten Teilen verfassungswidrig ist. Mit dem Gesetz überschreite der Freistaat Thüringen seine Gesetzgebungskompetenz insbesondere im Hinblick auf die Regelung der Genehmigungspflicht für den Erwerb von Unternehmensanteilen, sogenannte „share deals“, so die Gutachterin. Die mit dem Gesetz eingeführte Genehmigungsbedürftigkeit sei ein erheblicher Eingriff in die Eigentumsfreiheit, der weder erforderlich noch angemessen sei. In dem Gutachten werden zudem mehrere verfassungswidrige Punkte identifiziert, darunter die Definition des Begriffs „Landwirt“, die Anhebung der Genehmigungsgrenze auf 1 Hektar, die Regelung zu genehmigungsfreien Geschäften zugunsten von Gemeinden, Gemeindeverbänden und ihren Erschließungsträgern, eine Preisbremse bei 120 Prozent des ermittelten durchschnittlichen landwirtschaftlichen Verkehrswerts sowie die Verordnungsermächtigungen zugunsten der Landesregierung. Außerdem enthalte das Gesetz zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, was zu Rechtsunsicherheit führen werde. Dies gelte insbesondere für den Rechtsbegriff „beherrschender Einfluss auf den landwirtschaftlichen Betrieb“, dem im Gesetz eine zentrale Bedeutung zukommt.
Hauptkritikpunkte des Gutachtens sind:
1. Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Thüringen:
Das Gutachten stellt fest, dass der Freistaat Thüringen nur in begrenztem Umfang die Gesetzgebungskompetenz hat. Die Befugnis zur Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit gesellschaftlicher Anteilserwerbe erstreckt sich bspw. nur auf Fälle, in denen der Erwerber eine Verfügungsbefugnis erlangt, die der eines dinglich Berechtigten (z. B. beim Erwerb der Eigentümerstellung im Grundbuch) entspricht. Die Regelung zur Anzeigepflicht im Fall der Übernahme eines beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft überschreitet die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Thüringen ebenso wie die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf gemeinwohlorientierte Formen der Landwirtschaft.
2. Verfassungswidrige Punkte im Gesetzentwurf
Das Gutachten identifiziert mehrere verfassungswidrige Punkte:
- die Definition des Begriffs „Landwirt“ unter Bezugnahme auf eine EU-Verordnung zur Bestimmung des Begriffs „landwirtschaftlicher Betrieb“
- die Anhebung der Genehmigungsgrenze auf 1 Hektar
- die Regelung zu genehmigungsfreien Geschäften zugunsten von Gemeinden, Gemeindeverbänden oder ihren Erschließungsträgern, wenn ein Flächennutzungsplan oder Aufstellungsbeschluss vorliegt
- die unklare und nicht transparente Verordnungsermächtigung einschließlich der fehlenden Klarheit bezüglich der Bedingungen und des möglichen Inhalts der Rechtsverordnungen
3. Unbestimmte Rechtsbegriffe
Das Gesetz enthält zudem viele vage Rechtsbegriffe, die nicht eindeutig und rechtssicher ausgelegt werden können, was zu Rechtsunsicherheit führt. Dies gilt insbesondere für den zentralen Rechtsbegriff „beherrschender Einfluss auf den landwirtschaftlichen Betrieb“, der nicht auslegbar ist und sich einer Konkretisierung entzieht. Der Begriff „agrar- und forststrukturell nachteilige Verteilung der Bodennutzung“ kann demgegenüber zwar interpretiert werden, jedoch nicht unter Verwendung des Agrarstrukturberichts des Freistaats Thüringen, da dieser keine rechtlich geeignete Grundlage ist.
4. Genehmigungsbedürftigkeit von „share deals“ und deren Auswirkungen
Die Genehmigungsbedürftigkeit des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen, sogenannten „share deals“, wird als erheblicher Eingriff in die Eigentumsfreiheit betrachtet. Das Gutachten stellt fest, dass dieser Eingriff in der vorgeschlagenen Form weder erforderlich noch angemessen ist. Die Ausgestaltung der Genehmigungsbedürftigkeit wird als verfassungs- und unionswidrig erachtet, da sie unsachgemäß an das Grunderwerbsteuergesetz anknüpfe und somit gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoße. In der fehlenden Normierung der Kriterien für die Genehmigungsfähigkeit von „share deals“ wird ein Verstoß gegen das Prinzip der Rechtsklarheit gesehen. Die einheitliche Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit von „share deals“ für alle Gesellschaftsformen sei unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Schließlich wird festgestellt, dass das Genehmigungsregime für „share deals“ nicht mit der Eigentumsfreiheit und der Familiengestaltungsfreiheit vereinbar ist.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse des Gutachtens ist der Medieninformation beigefügt. Das gesamte Gutachten ist unter https://tbv-erfurt.de/files/downloads/themen/Agrarstrukturgesetz/Gutachten_ThuerAFSG.pdf abrufbar.