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8. Oßmanstedter Gespräche: Wildinsekten als wirtschaftliche Alternative zum chemischen Pflanzenschutz

Knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten online die 8. Oßmannstedter Gespräche am 5. März online. Der Dialog zwischen Imkerei und Landwirtschaft unter Beteiligung von Natur- und Insektenschützern war das Ziel der Veranstaltung, die durch die Thüringer Arbeitsgemeinschaft Imkerei und Landwirtschaft (ThAGIL) und dem Förderverein des Deutschen Bienenmuseums in Weimar (FVDBM) organisiert wurde. ThAGIL-Vorsitzender Ralf Kunz wies zu Beginn auf die besondere Zeit und ihre Auswirkungen auf Landwirtschaft und Imkerei hin: Der Krieg in der Ukraine betreffe mit steigenden Energiepreisen auch die Landwirtschaft erheblich; ganz direkt betroffen seien aber auch viele ukrainische Imkerinnen und Imker, mit denen es über den Landesverband Thüringer Imker vielfältige Kontakte gebe.

Im Mittelpunkt der drei Fachvorträge standen jedoch der Nutzen von und die Sorge um Wildinsekten. Dr. Jens Radtke, Landwirt und Imkermeister vom Bieneninstitut Hohen Neuendorf, sprach über Ackerbau und Imkerei. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung, dass Raps gar nicht auf Bestäubung von Bienen angewiesen sei, verwies er auf eigene Forschungen und Versuchsreihen, bei denen festgestellt werden konnte, dass sich durch den gezielten Einsatz von Bienen der Ertrag beim Raps um bis zu 35 Prozent steigern ließe. Wichtig dabei sei, dass die Bienen keine langen Wege haben, die Beuten also dicht und auch verteilt am Raps aufgestellt werden müssen. Zwei Bienenvölker pro Hektar Raps seien anzustreben. Und natürlich, so hob Radtke hervor, müsse der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) dann vor Blühbeginn abgeschlossen sein.

Der Einsatz von PSM ist ein zentraler Diskussionspunkt zwischen Landwirtschaft und Imkerei. Auch bienenungefährliche PSM seien mitunter nicht unbedenklich für Bienen und andere Insekten. Die verschiedenen Bieneninstitute betrieben seit Anfang der 2000er Jahre ein gezieltes Monitoring hinsichtlich eingelagerter PSM in Pollen und Honig. Hier ließe sich leider eine steigende Tendenz feststellen. Waren 2005 schon drei Viertel aller Proben von Bienenbrot, dem im Bienenvolk als Nahrung für die Larven eingelagerten Pollen, mit PSM belastet, stieg dieser Anteil auf erschreckende 97 Prozent im Jahr 2020. Bei Honiguntersuchungen sei die Belastung geringer, liege aber inzwischen auch bei bis zu 15 Prozent. PSM in Pollen schaden vor allem der Reproduktion und damit der Stärke sowie der Überlebensfähigkeit der Bienenvölker. Rückstände im Honig schaden direkt Honig und Imkerei, aber eben auch dem Image der Landwirtschaft an sich.

Um die Vielfalt, die Lebensbedingungen und die Niststätten von Wildbienen ging es im faszinierenden Vortrag des Stadtrodaer Imkers Jürgen Gräfe. Ganz unscheinbar, von vielen übersehen und dennoch für die Bestäubung und ein gesundes Ökosystem existenziell wichtig seien diese zumeist solitär lebenden Verwandten der Honigbiene. Und ihnen ginge es nicht allein durch PSM an den Kragen. Das Verschwinden von Feldsäumen, das Beackern bis in den Schotterbereich der Wege hinein, auf- und ausgeräumte Landschaften ohne Totholz, Steinhaufen und Hecken hätten ihnen in den letzten Jahrzehnten schlicht den Lebensraum genommen.

Auch das Aufstellen von Insektenhotels nütze nur wenig, wenn in deren Umgebung die Nahrungspflanzen fehlten. Einjährige Blühstreifen, so Gräfe, sähen zwar schön aus, nützten den Wildbienen langfristig jedoch wenig. Sie müssten in Stengeln, Halmen, Käfergängen, Totholz, Mauern, Abbruchkanten etc. überwintern können. Wenn im Herbst Blühstreifen gemulcht oder umgebrochen würden bzw. wenn im nächsten Frühjahr an dieser Stelle wieder normaler Acker sei, könne die mühsam aufgebaute Population dann nicht weiterleben. Mehrjährige Blühstreifen, etwas weniger Ordnung in der Landschaft, Ackersäume, möglichst auch noch mit Hecken und/oder Obstbäumen könnten einen großen Schritt zur Erhaltung von Wildbienen und anderen Insekten darstellen, so Gräfes Fazit.

Nahtlos anschließen konnte daran der Projektbericht der Biologin Dr. Anna Kosubek. In einem von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland koordinierten BfN-Projekt forscht sie zu Agrarnützlingen – natürliche Schädlingsbekämpfung durch gezielte Insektenförderung. Auch Kosubek beklagte die fehlenden Lebensräume für Insekten, wies auf dieselben Probleme wie ihr Vorredner hin. Etwas genauer ging sie auf das Problem des PSM-Einsatzes ein. Hier gäbe es eine Negativspirale: Permanentes Ausbringen von PSM führe zu Resistenzen sowie zu fehlender natürlicher Schädlingsbekämpfung durch Insekten. Das wiederum steigere den PSM-Einsatz weiter, so dass es zu nicht gewollten externen Auswirkungen komme: Obstbäuerinnnen und -bauern fehlen die Bestäuber, eine Gefährdung entfernter Lebensräume trete auf, durch die Kontamination von Pollen und Nektar seien Bienenvölker gefährdet.

Kosubek verwies auf Versuche, wonach die Wirkung von Insekten bei der natürlichen Schädlingsbekämpfung mit speziellen Nahrungspflanzen erheblich gesteigert werden könne; die Nützlinge könnten sich ohne entsprechende Ernährung nicht vermehren. Diese Erkenntnis setze sie in großen Freilandversuchen in Niedersachsen, Sachsen und Thüringen um. In mindestens 20 Betrieben – in diesem Jahr sei ein Beitritt für Betriebe in den genannten Bundesländern noch möglich – lege sie Blühstreifen mit ausgewählten Pflanzenmischungen an und beobachte deren Wirkung. Dabei seien auch die betriebswirtschaftlichen Fragen mit im Blick und es werde deutlich, dass natürliche Schädlingsbekämpfung trotz der dafür genutzten Ackerflächen durch Kosteneinsparungen und Ertragssteigerungen weitaus wirtschaftlicher sein könnten als chemischer Pflanzenschutz. Es gehe dann auch nicht primär darum, was der Landwirt für die Natur tun, sondern was er durch sinnvolle Bewirtschaftung als sogenannte Ökosystemdienstleistung zurückbekommen könne. Schließlich appellierte sie an die Kommunen, in deren Eigentum sich in der Regel die Wege befänden: Wenn man hier auf Ackersäume, Hecken, Blühmischungen sowie die richtige Bewirtschaftung achten würde, könnte eine größere Akzeptanz entsprechender Blühstreifen sowie eine Verteilung der damit verbundenen Lasten auf eine breitere Basis erreicht werden.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es hier noch großen Austauschbedarf gibt. Die natürliche Schädlingsbekämpfung, wie von Anna Kosubek vorgestellt, könnte eine Win-win-Situation für Imkerei und Landwirtschaft darstellen, für die Ökosysteme ohnehin. Und so wies Dr. Frank Augsten für den FVDBM in seinem Schlusswort auch darauf hin, dass das LFE-Projekt „Thüringer Landwirte und Imker im Dialog“ bestrebt ist, auch in den kommenden Monaten zum Austausch in Vor-Ort-Terminen einzuladen und voraussichtlich im Herbst eine größere Tagung veranstalten wird. Dann hoffentlich als Präsenz- bzw. Hybridveranstaltung, da die Onlineveranstaltungen zwar viel Wissen vermitteln könnten, der direkte Austausch und das Kennenlernen aber oft zu kurz kämen.

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