In der letzten Woche startete in Thüringen vielerorts die diesjährige Ernte. Das äußerst wechselhafte Wetter mit wiederkehrenden Regen erschwert den Landwirtinnen und Landwirten jedoch, die Ernte trocken einzufahren. Hierfür brauchen die Landwirtinnen und Landwirte beständige sommerliche Witterungsverhältnisse mit Sonnenschein und Wind, was regional häufig nur für wenige Stunden der Fall ist. Den landwirtschaftlichen Betrieben im Freistaat wird dadurch die Planung der Ernte schwer gemacht. Geerntet wird zunächst die Wintergerste, danach Winterraps und Winterweizen.
Aufgrund der regelmäßigen Niederschläge haben sich die Kulturen in den meisten Thüringer Regionen gut entwickeln können. Dennoch haben die diesjährigen Niederschläge nicht ausgereicht, das Defizit beim Bodenwasser zu kompensieren, das infolge der letzten beiden Dürrejahre entstanden ist. Die anhaltende Nässephase seit diesem Frühjahr bereitet den Altenburger Landwirtinnen und Landwirten dennoch große Sorgen.
So sorgt die Nässe auf den Kulturpflanzen dafür, dass sich bestimmte Pflanzenkrankheiten besonders gut entwickeln können. Als Beispiel sei an dieser Stelle die Krankheit Ramularia collo-cygni genannt. Im Frühjahr ist eine feuchte Witterung mit einer langen Blattnässedauer für die Ausbreitung des Pilzes sehr förderlich. Nach der Blüte erscheinen erste braune Flecken auf den Blattspreiten und den Grannen. Diese Flecken breiten sich sehr schnell aus und die grüne Blattfläche kann innerhalb von zwei Wochen zerstört werden. Die Pflanzenkrankheit befällt viele verschiedene Kulturpflanzen. Sie verursachte im Altenburger Land und in weiteren Teilen Thüringens in diesem Jahr erhebliche Ertragseinbußen in der Wintergerste. Das Hektolitergewicht, ein wichtiges Qualitätskriterium der Gerste, liegt weit unter den Grenzwerten.
So berichtet Christian Schellenberg, Leiter der Pflanzenproduktion der Agrargenossenschaft Gerstenberg e.G., dass die bereits geerntete Wintergerste im Unternehmen im Durchschnitt ein Hektolitergewicht von 52 kg/hl hat. „Das sind 10 kg/hl weniger als der Handel fordert. Die damit verbundene Preisreduzierung und der Ertragsausfall wirken sich signifikant auf die Rentabilität der Kultur aus. Schlimmer wird sich dies auf die Braugerstenproduktion auswirken, da die Qualitätsanforderungen der Mälzereien noch höher sind.“
Leider können die Landwirtinnen und Landwirte nicht viel gegen die Krankheit Ramularia collo-cygni tun, da der dafür geeignete Pflanzenschutzmittelwirkstoff seit diesem Erntejahr nicht mehr angewendet werden darf. Hier ist die Frage berechtigt, ob es tatsächlich sinnvoll ist, möglichst viele Pflanzenschutzmittel zu verbieten.
Hintergrund
Die Wintergerste gehört mit zu den wichtigsten Ackerkulturen in Thüringen. Die derzeitige feucht warme Wetterlage fördert die Entstehung von pilzlichen Krankheiten in eben diesem Getreide. In der Vergangenheit konnte mit Pflanzenschutzmitteln dem entgegengewirkt werden. Die entsprechenden Pflanzenschutzmittel sind in Deutschland nicht mehr zugelassen, jedoch in andere EU-Länder. Dies schafft ein Ungleichgewicht im Wettbewerb auf dem europäischen Markt. Die Thüringer Landwirtschaft hofft darauf in der Zukunft unbürokratisch Notfallzulassungen bei genannten Witterungsereignissen, um ihre Bestände schützen zu können. In den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde bereits frühzeitig eine Notfallzulassung für die Pflanzenschutzmittel genehmigt, um Ramularia collo-cygni in der Gerste erfolgreich zu behandeln.