Am 17. September 2024 hat die mündliche Verhandlung über die Klage des Königreichs Dänemark gegen das Europäische Parlament (EP) und den Rat der Europäischen Union (Rat) vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) begonnen.
Mit der Klage begehrt Dänemark die Nichtigkeitserklärung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne. Rat und EP beantragen die Klageabweisung.
Dänemark als Kläger, unterstützt von Schweden, argumentiert, dass die Richtlinie nichtig sei, da mit ihr der Bereich des „Arbeitsentgelts“ geregelt werde, der außerhalb der Zuständigkeit der EU liege. Dänemark vertritt die Auffassung, dass die Richtlinie unmittelbar auf die Festlegung des Mindestlohns in den Mitgliedstaaten abzielt.
Weitere Einwände richten sich gegen einen unzulässigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit sowie die Beeinträchtigung der Autonomie der Sozialpartner. Insbesondere sei die Koalitionsfreiheit durch die verbindliche Wirkung der EU-Grundrechtecharta geschützt.
Vertreter des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlamentes verteidigen die Richtlinie und betonen, dass Regelungen, die in den Bereich des Arbeitsentgeltes fallen, nicht völlig außerhalb der Kompetenz der EU lägen. Das Arbeitsentgelt sei eine „Arbeitsbedingung“ nach dieser Regelung und somit grundsätzlich dem EU-Recht zugänglich. Der Ausnahmebereich sei nur dann betroffen, wenn es zu einem unmittelbaren Eingriff in das Arbeitsentgelt käme. Zudem dürfe die Union durch die Kompetenzausnahmen nicht daran gehindert werden, ihre Ziele und Pflichten zu erfüllen. Die Richtlinie enthalte jedoch keine bindenden Vorgaben zur Höhe oder Anwendung bestimmter Lohngrößen. Entscheidend sei, inwieweit die Richtlinie einen unmittelbaren Eingriff darstelle, was durch die fehlende Verbindlichkeit der Bestimmungen verneint werde.
Die Mitgliedstaaten der EU haben auch die Möglichkeit, ihre Rechtsauffassung zum Streitgegenstand darzulegen. Für die Bundesrepublik Deutschland erklärte ein Vertreter der Bundesregierung ihre Position und schloss sich dem Antrag der Klageabweisung an. Nach Auffassung der Bundesregierung würden Mindestlöhne die Sozialpartnerautonomie nur eingeschränkt beeinflussen, da sie lediglich den unteren Teil eines Lohngefüges betreffen. Entscheidend sei, wie viel direkter Einfluss bei der Gestaltung bei den Mitgliedstaaten verbleibe. Da die Richtlinie lediglich Verfahrensvorgaben enthalte und weder konkrete Kriterien festlege noch deren Gewichtung und Kontrolle vollständig der EU unterstelle, sei kein unmittelbarer Eingriff in die Kompetenzen der Sozialpartner der Mitgliedstaaten gegeben.
Der Generalanwalt hat die Veröffentlichung seiner Schlussanträge für den 13. Januar 2025 angekündigt, sodass ein Urteil im Laufe des Jahres 2025 ergehen könnte.
Bewertung:
Die Argumente der sozialdemokratisch geführten Regierung Dänemarks gegen die Richtlinie stimmen mit den Bedenken der deutschen Arbeitgeber überein, die der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) seit mehr als drei Jahren zusammen mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) und deren weiteren Mitgliedsverbänden vorbringen. Im Bereich des Arbeitsentgelts hat die EU aus gutem Grund nach den Verträgen keine Kompetenz. Teile der Richtlinie sind nach unserer Auffassung unzulässig. Der EuGH sollte nun zügig die richtigen Konsequenzen ziehen.
Wie dringend geboten eine höchstrichterliche Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache ist, zeigt die Äußerung des Bundesarbeitsministers Heil zur Mindestlohnfestsetzung. Nach Bundeskanzler Scholz hat nun auch Bundesarbeitsminister Heil eine deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns mit dem Hinweis auf europarechtliche Vorgaben gefordert. Am Montag (9. September 2024) hat er im ARD-Morgenmagazin die letzte Mindestlohnerhöhung auf 12,41 Euro als zu gering bewertet und seine „Erwartungen“ an die Mindestlohnkommission erklärt.
Der Gesamtverband hat sich am 10. September 2024 mit der anliegenden Pressemeldung zu den Äußerungen des Bundesarbeitsministers geäußert. Eine Erklärung erfolgte auch auf die entsprechend lautende Äußerung des Bundeskanzler Scholz zum Mindestlohn.