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Milchwirtschaft

Milchwirtschaft (206)

Der Einladung der Landesvereinigung Thüringer Milch e.V. (LVTM) und des Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TMWLLR) folgten über 240 Teilnehmer aus Landwirtschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft und trafen sich Anfang März im Congress Center der Messe Erfurt zum 27. Thüringer Milchtag. Unter dem Thema „In Milch investieren? Trends erkennen, Zukunft gestalten" diskutierten die Tagungsteilnehmer über die aktuellen Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Branche.

Silvio Reimann (Milch-Land GmbH, Veilsdorf) eröffnete in seiner Begrüßung mit zwei prägnanten Leitsätzen: „Es soll niemandem ein Amt aufgegeben werden, der sich dazu nicht hinlänglich qualifiziert und Proben seiner Geschicklichkeit abgegeben hat“ (Friedrich II., 1794) sowie „Nichts ist dümmer, als wenn Leute, die die Landwirtschaft nicht kennen, sich in allen Dingen als Lehrer der Bauern betrachten“ (W. I. Lenin, VIII. Parteitag der KPR). Er verwies auf das Auslaufen der Milchquote im Jahr 2015 und die seitdem drastisch gesunkene Zahl der Milchkühe in Thüringen auf 79.000 Tiere – ein Rückgang von 31 Prozent im Vergleich zu 2015. Reimann betonte das spannungsgeladene Umfeld, in dem sich die Branche bewege: „Die Gesellschaft ist im Wandel, der Politik fehlen bislang passende Lösungen, und die Menschen erwarten konkrete Antworten, weil sie Zukunftsängste haben.“

Danach bekräftigte Landwirtschaftsministerin Colette Boos-John, dass sie der Landwirtschaft dienen wolle. Wirtschaften müsse einfacher und flexibler werden – mit praktikablen, klaren Regeln. Die neue Landesregierung setze auf Zuhören, Austausch und Offenheit für Diskussionen. Landwirtschaft sei eine Zukunftsaufgabe, bei der regionale Wertschöpfung, Einkommenssicherheit und Ressourcenschutz im Fokus stehen. Ein zentrales Anliegen ist die Sicherung der Milchviehhaltung in Thüringen. Hohe Kosten und Bürokratie belasten die Betriebe. Boos-John fordert daher eine Senkung der Energieabgaben, die Rückkehr zur vollen Agrardiesel-Rückvergütung und den Abbau bürokratischer Hürden. Die geplante Verschärfung von Artikel 148 GMO lehnt sie entschieden ab, da sie einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Vertrags- und Satzungsfreiheit der genossenschaftlich organisierten Molkereien darstelle und zu zusätzlichem bürokratischem Aufwand für Milcherzeuger, Molkereien und Behörden führen würde. Trotz der Herausforderungen sieht Sie die Branche strukturell gut aufgestellt. Thüringen investierte 2024 knapp 3,9 Millionen Euro in bessere Haltungsbedingungen. Entscheidend sei nun eine langfristig tragfähige Agrarpolitik – ab 2028 solle eine transparente, einfache und nachhaltige Förderung etabliert werden.

Die neue Vorsitzende der LVTM Isabel Schmidt ging in Ihrem Vortrag auf die Spannungen zwischen Bürokratie und Praxis ein. Die Thüringer Milchviehwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: hohe Bürokratie, steigende Kosten und fehlende Planungssicherheit gefährden die Betriebe. Der Rückgang der Milchkühe ist weniger auf den Milchpreis zurückzuführen, sondern vielmehr auf hohe Auflagen, fehlende Nachfolger und unsichere Investitionsbedingungen. Trotz des geringen Milchkuhbestands erzielt Thüringen jedoch überdurchschnittliche Leistungen und zeigt Innovationskraft. Doch bürokratische Hürden, von Weidetagebüchern bis zu fehleranfälligen Antragsprogrammen, binden viel Zeit und Ressourcen. Während Landwirte steigende Anforderungen im Tierwohl erfüllen, scheitert der Markt oft an fairen Preisen. Zudem kommen neue Herausforderungen wie Tierseuchen, unklare Förderbedingungen und unzuverlässige Digitalisierungsmaßnahmen. Gleichzeitig bedroht das Mercosur-Abkommen die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe. Die Branche ist auf Fördermittel und KULAP angewiesen, da der Markt die Milchproduktion nicht allein regeln kann. Schmidt forderte: „Wir brauchen unsere Entscheidungsfreiheit zurück!“ Denn ohne Landwirte gäbe es keine sicheren Lebensmittel. Es braucht weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit und faire Marktbedingungen. Die Politik ist gefordert, die Landwirtschaft aktiv zu stärken. Sie lud die Ministerin zusammen mit den agrarpolitischen Sprechern auf Ihren Betrieb ein um dort bei einem gemeinsamen Frühstück weiter in einen Austausch zu gehen.

Im anschließenden Marktvortrag nahm Dr. Kerstin Keunecke (AMI) zunächst eine globale Perspektive ein und analysierte die Entwicklungen auf dem Weltmarkt aus großer Flughöhe. Anschließend richtete sie den Fokus über Europa hinweg immer detaillierter auf Deutschland und schließlich auf Thüringen, wo sie die Marktlage präzise unter die Lupe nahm. Im vergangenen Jahr überschritt das weltweite Milchaufkommen ab Herbst die Vorjahreslinie. Besonders Australien und Neuseeland verzeichneten deutliche Zuwächse, während Argentinien unter den Top-5-Produzenten die größten Milchmengenverluste hinnehmen musste. In der EU stieg die Milcherzeugung im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent. Während Länder wie Polen und Frankreich ihre Produktion deutlich ausbauten, verzeichnete Deutschland, direkt hinter den Niederlanden, einen spürbaren Rückgang der Milchmenge. Der internationale Käsehandel nahm zu, und ein Blick auf den GlobalDairyTrade-Tender zeigt über alle gehandelten Milchprodukte hinweg eine positive Preisentwicklung. In Deutschland führten der Ausbruch der Blauzungenkrankheit sowie sinkende Fettgehalte in der Anlieferungsmilch ab Herbst zu einer Verknappung von Milch und Milchfett. Dies trieb die Butterpreise auf ein Allzeithoch: Im Lebensmitteleinzelhandel wurde Butter für 2,39 Euro verkauft. Anfang 2025 normalisierte sich dieser Trend, und seit letzter Woche liegt der Preis wieder bei 1,99 Euro. Zum Jahreswechsel korrigierten viele Molkereien, die in Drittländer exportieren, ihre Milchauszahlungspreise nach unten. Grund dafür war der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) in Brandenburg, der zu Lieferstopps und entsprechenden Risikoabschlägen führte. Die Milchmengen bleiben weiterhin deutlich unter dem Vorjahresniveau. Für das Frühjahr prognostiziert Keunecke eine stabile bis leicht steigende Entwicklung der Milchauszahlungspreise – abhängig von der weiteren Ausbreitung der Tierseuchen (Blauzungenkrankheit, MKS) sowie möglichen handelspolitischen Einflüssen durch angedrohte US-Zölle und das Mercosur-Abkommen.

Mit großem Interesse wurden die Vorträge der beiden Molkereiunternehmen, Deutsches Milchkontor eG (DMK) und LACTALIS GRUPPE GmbH (Lactalis), verfolgt. Sie boten aufschlussreiche Einblicke in ihre Betriebszahlen und Produktionsstrategien. Beide Unternehmen setzen verstärkt auf regionale Marken in Thüringen und versuchen ihre Milchlieferanten mit unterschiedlichen Auszahlungsanreizen langfristig an sich zu binden oder neue Erzeuger zu gewinnen. Dr. Klaus Hein von DMK hob die zunehmende Nutzung des Festpreismodells hervor, das es Milcherzeugern ermöglicht, bis zu 30 % ihrer Milchmenge für einen längeren Zeitraum zu einem festen Preis abzusichern – ein wertvolles Instrument, um die Betriebskosten besser zu kalkulieren und eine sichere Planung für die Zukunft zu gewährleisten. Dr. Johannes Eder (Lactalis) hingegen bietet seinen Lieferanten einen über dem bayerischen Auszahlungspreis liegenden Milchpreis, um sie als Partner zu gewinnen und langfristig zu binden. Beide Molkereien gewähren zudem einen Zuschlag für Milch aus Haltungsform 3 (HF3). Allerdings musste das DMK diesen Zuschlag 2025 von 3 auf 2 Cent senken, da die Vermarktung der HF3-Milch durch den Handel ins Stocken geraten ist. Lactalis zahlt hier lediglich 1,5 Cent. Neben den reinen Auszahlungspreisen betonten beide Unternehmen die Bedeutung eines engen und vertrauensvollen Austauschs mit den Milcherzeugern. Regelmäßige Treffen und ein offenes Miteinander seien essenziell, um die Herausforderungen der Branche gemeinsam zu bewältigen. Mit weiter sinkenden Milchkuhzahlen wächst in Thüringen der Druck auf die Milchveredler. Es wird sich zeigen, wie sich die unterschiedlichen Vermarktungsstrategien langfristig auf die Stabilität der Milchlieferbeziehungen auswirken. Während das DMK als genossenschaftlich organisierte Molkerei auf langfristige Wertschöpfung und strategische Geschäftsfelder mit dem Produktionsstandort in Erfurt setzt, verfolgt Lactalis eine stärker marktorientierte Expansion mit direkter Handelsanbindung. In einem volatilen Milchmarkt werden beide Unternehmen weiterhin auf Innovation und Anpassungsfähigkeit setzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Steffen Groß (TMWLLR) erläuterte verschiedenen Fördermöglichkeiten zur Unterstützung der Milchviehhaltung. Die zahlreichen Programme sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Milchviehbetriebe stärken, Investitionen erleichtern und Innovationen vorantreiben. Ein wesentliches Förderinstrument ist die Investitionsförderung (ILU), die Betriebe mit Zuschüssen für Modernisierung, ökologische Umstellung und Diversifizierung unterstützt. Im Jahr 2024 wurden im Bereich Milch 7 Millionen Euro an Fördermitteln bewilligt. Darüber hinaus finanziert die Innovationsförderung Projekte in den Bereichen Digitalisierung, Krankheitsprävention und regionale Wertschöpfung.

Der Vortrag von LIDL wurde mit einer gewissen Skepsis aufgenommen. Henrik Wiedenroth sprach sich einerseits klar für 100 Prozent deutsche Rohstoffe bei Milch und Fleisch aus und betonte, dass LIDL den Ausbau der Haltungsstufen 3 und 4 weiter vorantreiben werde. Gleichzeitig stellte er jedoch ein neues Projekt zur Unterstützung der „Planetary Health Diet“ vor, dass die zukünftige Eiweißversorgung der Menschheit thematisiert. Im Fokus stehen dabei eine nachhaltige Wertschöpfung sowie umweltschonende Ressourcenverwendung. Zudem sollen pflanzenbasierte Alternativen durch den Verzicht auf Handelsspannen preisgleich neben die klassischen Produkte platziert werden, um das Kaufverhalten der Kunden zu analysieren. Besonders kritisch wurde die Aussage aufgenommen, dass LIDL Haltungsform 3 und 4 als Standard etablieren möchte. Dies birgt die Gefahr, dass für die Milcherzeuger, ähnlich wie beim VLOG-Standard, kein zusätzlicher Mehrwert in der Wertschöpfungskette mehr geschaffen wird.

 

Foto: Ein besonderes Highlight zum Milchtag war die feierliche Prämierung der besten Molkereien und Direktvermarkter. Für ihre herausragende Produktqualität wurden in diesem Jahr das Deutsche Milchkontor GmbH (Werk Erfurt), die Käserei Altenburger Land GmbH & Co. KG (Hartha), die Bauernhof Schuchert GbR (Dermbach) sowie die Dittersdorfer Milch GmbH (Dittersdorf) ausgezeichnet. Zur Auszeichnung im Bild (vl): Celine Reichelt (Thüringer Milchkönigin, LVTM), Isabel Schmidt (Vorsitzende LVTM), Jens Klausen (Werkleiter Erfurt, DMK Deutsches Milchkontor GmbH), Klaus Amon (GF, Dittersdorfer Milch GmbH), Ina Frentzel-Sladczyk (QM, Käserei Altenburger Land GmbH & Co. KG) und Colette Boos-John (Landwirtschaftsministerin) (Quelle: TMWLLR)

 

Die Vorträge zum Thüringer Milchtag:

 

 

 

 

 

Das diesjährige Berliner Milchforum war mit rund 500 Teilnehmern wieder gut besucht.
Aufgrund aktueller Beratungssitzungen fehlten die politische Vertreter, doch die zentralen Themen bleiben: Standortsicherung, Strukturwandel, Fachkräftemangel und Bürokratieabbau. Letzterer wurde als viel beschworen, aber kaum umgesetzt kritisiert.
Die Veranstaltung bot neben einer Fachausstellung und spannenden Vortragsreihen zu Themen wie dem Milchmarkt und der Blauzungenkrankheit in diesem Jahr vor allem kontroverse Debatten.
Besonders hervorzuheben ist die Zwischenbilanz der Sektorstrategie 2030, die am zweiten Tag gezogen wurde, sowie die kontroverse Diskussion zwischen Ludwig Börger (QM-Milch) und Anne Hamester (Greenpeace) zum Thema Tierwohl.
Der DBV-Vizepräsident Karsten Schmal zog ein klares Fazit: „Wir brauchen Planungssicherheit für unsere Betriebe, ein klares Bekenntnis zur Nutztierhaltung in Deutschland, Vertrauen in die Arbeit des Berufsstandes und endlich Entlastungen beim Verwaltungsaufwand.“ Er betonte, dass die agrarpolitischen Weichen aktuell gestellt werden und die Entscheidungsträger die Anliegen der Branche umsetzen müssten. „Der Agrardiesel ist ein Gewinn, ja. Aber die Herausforderungen gehen weit darüber hinaus.“
Im Rahmen des Berliner Milchforums fand auch wieder ein Fachausschuss Milch des DBV statt. Hier waren EU-Themen wie GMO-Änderungen, Entwaldungsverordnung und Immissionsschutzrichtlinie im Fokus. Kritisiert wurde der zunehmende Verlust von Pragmatismus in Detailregelungen sowie das schwindende Vertrauen in die unternehmerische Arbeit der Landwirte. Besonders im Austausch mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wurde betont, dass eine klare Positionierung und Kooperation auf Augenhöhe essenziell sind.

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